Wenn Du etwas Deine gesamte Aufmerksamkeit widmest, selbst einem Grashalm, wird es zu einer faszinierenden Welt voller Wunder und Magie.
Was ist Nature Journaling überhaupt?
Um die Natur zu entdecken und zu verstehen, gibt es viele Wege. Einer davon ist das Nature Journaling. Die Kombination aus Natur und einem Journal, also einer Art Tagebuch, offenbart so viele Möglichkeiten, unsere Umgebung aufmerksam und bewusst wahrzunehmen, zu erforschen.
Dieses Naturtagebuch dient der Aufzeichnung Deiner Beobachtungen, Gedanken und Fragen zur Natur im Allgemeinen oder einem Naturgegenstand im Besonderen. Dabei steht vor allem das genaue Betrachten im Vordergrund, bei dem gern alle Sinne genutzt werden dürfen.
In Deinem Naturtagebuch sind Dir keine Grenzen gesetzt: Du kannst zeichnen, beschreiben, zählen, messen, reimen, mit Farbe oder ohne, Bleistift, Aquarell, Guache, Buntstift, alles ist erlaubt – es ist Deine ganz persönliche Art der Naturwahrnehmung. Erforsche die kleinen Wunder dieser Welt, dokumentiere sie, stelle Fragen, sei neugierig.
Neugierde
Neugierige Aufmerksamkeit ist eine innere Einstellung, die eine besondere Art der Vorurteilsfreiheit, eine innere Begeisterung, ein Staunen meint, vergleichbar mit der Neugier eines Kindes. Jeder Moment wird betrachtet als das was er ist: neu und einzigartig, weder wiederkehrend, noch gut oder schlecht. In diesen wollen wir ganz eintauchen – offen, achtsam, staunend. So können wir alles, das uns umgibt, wahrnehmen und wertschätzen.
Was wäre, wenn wir unseren Glauben, alles zu wissen, einmal beiseite schieben würden? Was würde sich uns offenbaren? Würde die Welt auf uns nicht einzigartig und spannend wirken? Bereit, von uns entdeckt, erforscht, erfragt zu werden.
Wir können alles erst im Hier und Jetzt, in jedem einzelnen Moment vollständig erfahren.
Dein ganz eigenes Naturtagebuch
Ein Nature Journal ist also eine Sammlung Deiner Beobachtungen, Fragen, Antworten, Skizzen, getrockneten Blätter und Blüten, Karten – kurzum Deiner ganz eigenen Naturerlebnisse.
Doch was ist so besonders, so wunderbar an einem Wildnistagebuch?
Durch die Fokussierung auf Deine Beobachtungen, beginnt Dein Organismus zu entschleunigen und im Moment anzukommen. Durch dieses achtsamere Erleben hat Deine Kreativität die Möglichkeit, sich mehr und mehr zu entfalten. Du kommst in eine tiefere Naturverbindung, weil Du Dich völlig wertfrei, offen und wissbegierig auf Deine Umwelt einlässt, sie erforschst und bestaunst.
Nur Du und die Natur, da ist niemand, der Dich kritisieren kann. Es gibt kein Richtig oder Falsch, kein Gut oder Schlecht.
Durch den Einsatz aller Deiner Sinne, durch Dein Fragen und Deine genaue Beobachtung, kann sich Deine Naturwahrnehmung verbessern, Deine Artenkenntnis erweitern. Und im besten Fall gestaltest Du damit eine einzigartige, ganz persönliche, kunstvolle Bibliothek Deiner Naturerlebnisse, in der Du immer wieder blättern und Dich erinnern kannst.
Lass Dich von der vor Dir liegenden leeren Seite nicht abschrecken. Diese leere Seite ist deine Einladung, alles mit ihr zu machen, was Du willst. Das Wunderbare dabei ist: Du musst dafür weder besonders gut zeichnen können, noch Naturforscher*in sein.
Kreativität
Bereits unsere Vorfahren nutzten die Kraft des Gehirns, um Verbindungen zu anderen Menschen aufzubauen und sich Zeit, Entfernungen und mögliche Ereignisse vorzustellen. Entstanden ist diese Vorstellungskraft laut Evolutionstheoretikern durch gemeinsame Abende am Lagerfeuer. Das Spiel der Flammen und das Knistern des Feuers beflügelten die Phantasie – es war die Zeit für Geschichten, Erzählungen, Erinnerungen, Verbundenheit. Das spielt eine ganz entscheidende Rolle bei der Entstehung von Kreativität: durch das ruhige, entspannte Wahrnehmen des Feuers, erlauben wir dem Geist auf Reisen zu gehen, in tiefe Emotionen, Ideen und Erinnerungen einzutauchen. Diesen ruhigen, meditativen Zustand, diese sanfte und unfokussierte Ausrichtung auf etwas ohne gleichzeitige Konzentration darauf, nennt die Wissenschaft ’sanfte Faszination‘, aus dem die Kreativität erwächst. Die Natur schenkt uns unendlich viele Möglichkeiten, in ihr diesen Bewusstseinszustand zu erfahren. Beispielsweise beim Wahrnehmen der raschelnden Blätter, der wiegenden Baumkronen oder der ziehenden Wolken.
Lass uns mit dem Zauber beginnen
Um mit Deinem ganz eigenen Naturtagebuch anzufangen, brauchst Du zu Beginn kein besonderes Equipment. Lege Dir gern eine Art Büchlein, Heft oder Skizzenbuch zu, so hast Du Deine Naturbeobachtungen immer gleich zur Hand. Bleistift, Kuli oder Fineliner reichen grundsätzlich aus, doch je nach dem, wie Du Dein Nature Journal führen möchtest, lässt sich die Materialienliste beliebig erweitern. Ich beispielsweise liebe es, mit Bleistift, Fineliner, und Aquarellfarben zu zeichnen.
Das wichtigste: nimm Dir Zeit und suche Dir einen Platz, an dem Du Dich wohl fühlst. Das kann draussen in der Natur oder auch in Deinem Zuhause sein. Lass Dich dort mit dem Naturgegenstand, dem Du Dich gern widmen möchtest nieder. Spüre gern mal bewusst in diesen hinein: wie fühlt er sich an? Hat er eine besondere Struktur, einen speziellen Geruch? Wie sieht er aus?
Jetzt geht es mutig an die erste Skizzierung, probiere dabei gern verschiedene Perspektiven aus, von allen Seiten, von nah und fern. Stell Dir vor, Du wärst Naturforscher*in und würdest auf Deinen Gegenstand wie durch ein Schlüsselloch schauen. Ein Stück Natur im Fokus. Was siehst Du? Welche Assoziationen tauchen auf? Welche Fragen kommen? Schreib oder zeichne gern alles auf.
Entdecke es mit all Deinen Sinnen: wie könntest Du beispielsweise seinen Geruch zeichnerisch festhalten oder seinen Klang?
Spiele mit Worten, verfasse ein Gedicht, wenn Du möchtest, mal alles bunt oder fertige Listen oder Diagramme an, zähle, messe, schätze. Alles ist Teil des Prozesses und darf dokumentiert werden.
Diese Herangehensweisen ist natürlich eine von vielen und mit der Zeit wirst Du Deine ganz eigene finden. Sehr gern mit mir gemeinsam.
Bereits unsere Vorfahren zeichneten ihre Beobachtungen und Erlebnisse auf Felswände, später wurden Beobachtungen aus fremden Ländern in Bildern festgehalten und in der Heimat geteilt. Das Erstellen von Naturskizzen hat also lange Tradition und ist eine tief verankerte, rein intuitive Art und Weise, seine Naturerfahrungen festzuhalten.